Weniger Plastik in der Umwelt: Wo Regulierungen ansetzen können

Weniger Plastik in der Umwelt: Wo Regulierungen ansetzen können

Um Ansätze weniger Kunststoffe zu verbrauchen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Forschende haben analysiert, welche zur Regulierung in Deutschland sinnvoll und gut umsetzbar wären und was dafür getan werden müsste.

Bei unserem Umgang mit Kunststoffen kann es kein „weiter so“ geben: Damit verbundene Probleme wie Vermüllung und Rohstoffverbrauch haben längst Ausmaße angenommen, die ein Gegensteuern dringend erforderlich machen. Für das „wie“ entsprechender Maßnahmen in Deutschland – dem Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Kunststoffverbrauch in der EU – zeigte das Webinar „Von Plastikvermeidung bis zur Reduzierung von Plastikeinträgen in die Umwelt – Regulierungsoptionen auf nationaler Ebene“ (18. Mai 2022) zahlreiche Optionen auf.

Dr. Bernhard Bauske von WWF Deutschland gab zunächst einen Überblick zum Problemkomplex „Plastik in der Umwelt“. In einer Studie, die die Auswirkungen von Plastikverschmutzung auf marine Arten und Ökosysteme analysiert, zeigten die Forschenden unter anderem, dass die Sedimentation von Plastik – also die Ablagerung im Meeresboden – mit der weltweiten Kunststoffproduktion korreliert und (Mikro-)Plastik sich entsprechend immer stärker in der Umwelt anreichert. Bislang hat man für 297 marine Arten untersucht, ob Plastik Auswirkungen auf deren Organismus hat – das ist bei 88 Prozent der Fall. Außerdem berechneten die Forschenden Risikoschwellen, ab denen die Konzentration von Kunststoffen in der Umwelt sich negativ auswirkt. Das Fazit: „Wir müssen sofort den Eintrag von Plastik in die Umwelt stoppen“, sagte Bernhard Bauske.

Die WWF-Studie „Verpackungswende jetzt!“ zeigt Wege auf, wie ein Systemwechsel gelingen kann, bei dem das Gesamtabfallvolumen um 40 Prozent, der Verbrauch von Neuplastik um 60 Prozent und die thermische Verwertung von Verpackungsabfällen um 70 Prozent reduziert würden. Insgesamt könnte man bis 2040 so mehr als 20 Millionen Tonnen Kunststoff einsparen. Konkrete Beispiele für Einsparungen sind etwa, weniger Umverpackungen und Aufkleber zur Produktkennzeichnung einzusetzen und vermehrt Mehrwegpackungen im Transportsektor zu nutzen. Vor allem die Hersteller von Konsumprodukten seien bei der Plastikvermeidung in der Verantwortung, aber auch Abfallbetriebe, der Einzelhandel und Verbraucher selbst könnten dazu beitragen. Die Politik müsse Vermeidungsziele setzen, so Bauske, und dafür verschiedene Anreize nutzen.

Wie Plastikvermeidung und -reduktion auf kommunaler Ebene aussehen könnte, beschrieb Dr. Frieder Rubik, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), vom Projekt INNOREDUX. „Kommunen können insbesondere Unternehmen und den Handel dabei unterstützen, ein verpackungsarmes Angebot zu realisieren“, sagte der Wissenschaftler beim Webinar. Das ließe sich über Einzelberatungen lösen, bei denen man gemeinsam Marketing- und Beschaffungsstrategien überlegen könne, oder bei Runden Tischen, etwa für Caterer mit ihrem speziellen Angebot. Gute Praxisbeispiele sollten ausgezeichnet werden, etwa mit einem gemeinsamen Label („Zero Waste“). Die Mehrwegsysteme müssten ausgebaut werden, Kommunen können hier unterstützen. Denkbar wäre auch, dass der Handel Rabattierungen beim Mitbringen eigener Getränkebecher anbietet. Ein weiterer sinnvoller Weg wäre laut Rubik eine kommunale Verpackungssteuer, auch wenn das Thema „ein heißes Eisen“ sei: In Tübingen hatte man eine solche zu Jahresbeginn 2022 eingeführt, dann wurde sie jedoch auf Klage der Pächterin einer McDonalds-Filiale im März 2022 durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für unwirksam erklärt. Aktuell ist die Verpackungssteuersatzung  vorläufig in Kraft, weil die Stadt Tübingen in Revision gegangen ist und der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen ist.

Auch Ideen, wie kommunale Großverbraucher Kunststoffe sparen können, haben die Forschenden von INNOREDUX erarbeitet. Für die Beschaffung könnte es beispielsweise Dienstanweisungen für verpackungsarme Anschaffungen geben. Bei öffentlichen Großveranstaltungen müsste ein Mehrweggebot und ein Einwegverbot herrschen; an solche Auflagen könnte man auch die Vergabe von Zuschüssen binden, etwa für Sportvereine. Für Privathaushalte müssten Kommunen vor allem eine Infrastruktur bieten, die zum Sparen von Verpackungen einlädt, wie Trinkbrunnen oder Refill-Stationen. Dazu kommen Angebote wie das Freiburger „Marktsäckle“, eine wiederverwendbare Einkaufstüte, die kostenfrei ausgegeben wird, und Ratgeber für plastikarmes Einkaufen. „Außerdem brauchen wir eine Wissensplattform, auf der gute Ideen und Praxisbeispiele weitergegeben werden können“, sagte Frieder Rubik vom IÖW. Gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Handlungsspielraum von Kommunen erweitern könnten, ließen sich über Netzwerke wie dem Deutschen Städtetag beeinflussen.

Um solche rechtlichen Rahmenbedingungen ging es auch im Vortrag von Prof. Dr. Anja Hentschel, Hochschule Darmstadt, die Ideen für ein nationales Kunststoffstammgesetz vorstellte, das im Rahmen des Projektes InRePlast formuliert werden soll. „Die Frage ist, wie wir das Thema Kunststoffe genereller regeln können. Aktuell existieren vor allem viele verstreute Regelungen auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen, die zudem einen sehr beschränkten Anwendungsbereich haben, wie etwa das Plastiktütenverbot oder das Verbot von Einwegkunststoffprodukten“, sagte die Wissenschaftlerin. Mit einer nationalen Kunststoffstrategie und darauf aufbauend einem Kunststoffstammgesetz könne Deutschland selbst agieren, anstatt auf ambitionierte EU-Regelungen zu warten oder sich hierauf zu verlassen.

Das Vorgehen orientiere sich an der Klimaschutzgesetzgebung. Das Stammgesetz enthielte die rechtlichen Regelungen für den generellen Umgang mit Kunststoffen und würde durch sektorspezifische Fachregelungen ergänzt. Herausfordernd sei die Festlegung von Grundsätzen und Zielen des Umgangs mit Kunststoffen in einem solchen Gesetz. Hinsichtlich der Ziele könnte eine Orientierung an bereits bestehenden Vorgaben erfolgen, beispielsweise an dem EU-Aktionsplan „Schadstofffreiheit in Luft, Wasser und Boden“, der etwa eine Reduzierung von Kunststoffabfällen im Meer um 50 Prozent vorsieht, aber selbst nicht bindend ist. „Wir müssen eine Grundlage schaffen, um den Umgang mit Kunststoffen besser zu organisieren – was auch eine demokratische Anerkennung des Problems durch den Gesetzgeber als Handlungsfeld von allgemeinem Interesse bedeutet“, betonte Anja Hentschel.

Text von Wiebke Peters

Foto von Naja Bertolt Jensen auf Unsplash

Author
Type of Result
( top of page )( zum Seitenanfang )