Mikroplastik im Abwasser: Die Mischung macht’s (schwierig)

Mikroplastik im Abwasser: Die Mischung macht’s (schwierig)

Mikroplastik gelangt auf vielen Wegen in die Umwelt. Ein zentrales Problem in Deutschland sind Mischwasser- und Regenwasserüberläufe in der Kanalisation: Bei starkem Niederschlag wird ein Teil der Abwässer direkt in die Oberflächengewässer eingeleitet – und damit auch viel Mikroplastik.

Böden und Gewässer leiden zunehmend unter Mikroplastikverschmutzung. Das hat viele Gründe, ein wichtiger lässt sich klar benennen: Mischwasser- und Regenwasserüberläufe.

In Deutschland wird mit ca. 53,5 Prozent gut die Hälfte des gesamten Abwassers über Mischsysteme abgeführt. Der Rest des Abwassers wird über Trennsysteme abgeleitet.

Bei Mischsystemen werden Abwässer aus Haushalten, Industrie und Gewerbe sowie Niederschlagswasser gemeinsam gesammelt und der Kläranlage zugeführt. Regnet es sehr stark und/oder länger anhaltend, reicht die Kapazität der Rückhaltebecken in der Kanalisation jedoch meist nicht aus. Dann muss ein Teil des gemischten Abwassers weitgehend ungeklärt in Oberflächengewässer eingeleitet werden. Aber auch bei Trennsystemen, bei denen Regenwasser und das übrige Schmutzwasser separat geführt werden, führen die Regenwasserkanäle in der Regel ebenfalls ohne nennenswerte Behandlung direkt in die Gewässer.

In der trüben Brühe aus dem Misch- oder Regenwasserüberlauf können beachtliche Mengen an Mikroplastik stecken. Verlässliche Daten dazu liegen nicht vor, weil die Wasserzusammensetzung von zahlreichen Faktoren abhängt, die an verschiedenen Standorten und zu unterschiedlichen Zeiten stark variieren. Das macht die Probenahme komplex und die Interpretation einzelner Analyseergebnisse schwierig. Außerdem ist Mikroplastik viel (zeit)aufwändiger zu messen als andere Abwasser-Parameter, und die Messunsicherheiten sind dabei riesig. So verfälscht beispielsweise in Abwasser ebenfalls enthaltenes Fett die Messergebnisse: Im Rahmen der Probenanalyse entstehen bei dessen thermischer Zersetzung ähnliche Markermoleküle wie bei der Zersetzung von PE, dem mit Abstand verbreitetsten Kunststoff. Und Kleinstpartikel im Nanometerbereich entziehen sich der Detektion bisher noch vollständig.

Immerhin weiß man bereits viel über die Quellen des Mikroplastiks im Abwasser. Ein wichtiger Faktor ist etwa Reifenabrieb, der mengenmäßig größten Quelle für Mikroplastikeintrag in die Umwelt in Deutschland. Wird Reifenabrieb durch Niederschlagswasser von der Fahrbahn abgewaschen, gelangt er direkt oder über die Kanalisation in Böden und Gewässer. Wieviel Mikroplastik das im Einzelfall ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Hat es beispielsweise länger nicht geregnet und/oder die Straße wurde länger nicht gereinigt, sammelt sich vergleichsweise viel Reifenabrieb an. Beim ersten kräftigen Regenguss wird dieser komplett abgeschwemmt. Überlagert sich dieser „First-Flush“-Effekt bei starkem Regen mit Einleitungen an Misch- und Regenüberläufen, so ist das ablaufende Wasser besonders hoch belastet, und gerade davon gelangt dann ein Teil direkt in die Oberflächengewässer.

Schaffen es die Abwässer zur Kläranlage, scheint die größte Gefahr gebannt: Klärwerke halten über 95 % Prozent des im Abwasser enthaltenen Mikroplastiks zurück. Problematisch ist allerdings der Klärschlamm, in dem sich bis zu 80 Prozent des Mikroplastiks aus Abwässern sammelt. Klärschlamm muss regelmäßig entsorgt werden und wurde unter anderem dazu eingesetzt, landwirtschaftlich genutzte Böden zu düngen. Auf diese Weise landeten seit Mitte des letzten Jahrhunderts große Mengen an Mikroplastik und weiterer belastender Spurenstoffe in Böden und Gewässern. Immerhin: Dieser Trend ist stark rückläufig, auch weil die Klärschlammverordnung im Jahr 2017 grundlegend novelliert wurde und Klärschlamm überwiegend verbrannt wird.

Wie lassen sich Mikroplastik-Einträge über das Abwasser vermindern? Eine Grenzwertsetzung ist aktuell nicht möglich, denn – siehe oben – es fehlen die dafür nötigen Daten. Dennoch ist klar, dass im Sinne des Vorsorgeprinzips Einträge möglichst vermieden werden sollten. Am meisten Entlastungspotenzial bietet eine weiter verbesserte Behandlung des Abwassers und die Reduzierung von Misch- und Regenwasserabschlägen in die Vorfluter. Wegen der hohen Zahl an Einleitpunkten ist es wichtig, Hot Spots zu identifizieren, an denen Einträge möglichst effektiv verringert werden können: So gibt es allein in Deutschland etwa 75.000 Regenwasserrückhaltebecken und -überläufe, hinzu kommen mehrere zehntausend Einleitpunkte von Autobahnen. Bei Regenwasserrückhaltebecken wird das Abwasser nicht wie beim Regenüberlauf unmittelbar ins Gewässer eingeleitet, sondern verzögert oder erst nach leichter mechanischer Reinigung. Aus Kostengründen lassen sich aber nicht überall Maßnahmen zur Reinigung des abfließenden Wassers umsetzen.

Hilfreich ist auch ein Blick auf die anderen relevanten Quellen von Mikroplastik: Das sind neben den schon genannten Abwässern aus Haushalt, Gewerbe und Industrie sowie dem Reifenabrieb auch das achtlose Entsorgen von Kunststoffmüll in die Umwelt, so genanntes Littering, und Kunstrasenplätze. Ansatzpunkte zur Vermeidung von Mikroplastik gibt es also genügend.

*Die Erkenntnisse dieses Blogbeitrags stammen aus dem Forschungsprojekt REPLAWA aus dem Forschungsschwerpunkt “Plastik in der Umwelt”. Sie wurden bereits in einem Webinar präsentiert – Aufzeichnungen dazu gibt es hier.

** Foto von Ivan Bandura auf Unsplash.com

***Text von Wiebke Peters

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