Warum Biokunststoffe nur eingeschränkt “bio” sind

Warum Biokunststoffe nur eingeschränkt “bio” sind

Einige Kunststoffe können biologisch abgebaut werden – unter bestimmten Bedingungen. Deshalb erscheint ihr Einsatz nur manchmal sinnvoll und ist keinesfalls die Lösung unseres Plastikproblems.

Bezeichnungen können irreführend sein, das gilt auch für „Biokunststoff“. Darunter subsumiert man drei unterschiedliche Kunststoffgattungen: Kunststoffe, die auf biologischen Materialien wie Stärke basieren und biologisch abbaubar sind, Kunststoffe, die ebenfalls biobasiert sind, aber nicht biologisch abgebaut werden können, und Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind, aber auf fossilen Materialien wie Erdöl basieren.

Diese Definition entstammt einem Sachstandspapier zur Bioabbaubarkeit von Kunststoffen, das Forschende des BMBF-Forschungsschwerpunkts Plastik in der Umwelt erstellt haben. Darin wird unter anderem beschrieben, wie ein Abbau vonstattengeht, welche biobasierten Kunststoffe bislang auf dem Markt sind und welches Potenzial sie für eine nachhaltigere Wirtschaft haben.

Wichtige Argumente aus diesem Papier stellen wir in diesem Blog vor, denn sie sind hilfreich, um seriös und informiert über den Sinn und Nutzen von Biokunststoffen diskutieren zu können. Ein weiterer Begriff spielt dabei eine zentrale Rolle, nämlich „biologische Abbaubarkeit“: Das heißt keineswegs, dass die Kunststoffe von selbst vergehen, sobald sie in die Umwelt entsorgt werden. Es heißt auch nicht, dass sie in Kleinstteile zerfallen, die nicht mehr mit bloßem Auge erkennbar sind. Letzteres wäre Fragmentierung, sprich es entsteht Mikroplastik. Biologischer Abbau heißt: Bakterien verstoffwechseln die Polymerketten, aus denen der jeweilige Kunststoff besteht, und integrieren die gewonnenen Kohlenstoff-Atome in den eigenen Kreislauf, ziehen also energetischen Nutzen daraus.

„Die Polymerketten können dabei nicht direkt in der Zelle verstoffwechselt werden, denn dafür sind sie zu lang“, erläuterte Professor Marc Kreutzbruck beim ‘Plastik in der Umwelt’-Webinar zum Thema Bioabbaubarkeit, das am 25. November 2021 stattfand. Er leitet gemeinsam mit Prof. Christian Bonten das Institut für Kunststofftechnik an der Universität Stuttgart und hat das Sachstandspapier mit verfasst. Die Zelle setzt dafür Enzyme ein, die die Ketten außerhalb der Zelle spalten. Sind die Polymere klein genug, besteht die Möglichkeit, dass eine intrazelluläre Verstoffwechselung stattfindet. Daran können auch mehrere, synergetisch arbeitende Bakterienstämme beteiligt sein.

Beim Abbau der Kunststoffe durch Bakterien helfen äußere Einflüsse, etwa UV-Licht, Temperatur, Feuchtigkeit und mechanische Einwirkung. Sie haben dabei meist entscheidende Bedeutung dafür, ob und wieviel Kunststoff wie schnell abgebaut wird. Zum Beispiel eine 30 Mikrometer dicke bioabbaubare Folie, wie sie eingesetzt wird, um Spargelfelder abzudecken: Während bei 60 Grad über 210 Tage ca. 90 Prozent des Kunststoffs abgebaut werden, sind es bei 20 Grad und über einen ähnlichen Zeitraum (180 Tage) rund zehn Prozent. 60 Grad wird nur in industrieller Kompostierung erreicht, auf dem Feld verrottet Folie offensichtlich kaum.

Das Beispiel illustriert zugleich ein grundlegendes Dilemma bei bioabbaubaren Kunststoffen: Was in der Nutzungsphase erwünscht ist, nämlich Belastbarkeit und Stabilität, ist für die Degradationsphase hinderlich. Die Folie soll den Spargel schützen und wärmen. Wird sie nicht mehr gebraucht, soll sie so schnell wie möglich abgebaut werden. Das kann nicht ohne weiteres funktionieren.

Biokunststoffe haben aktuell einen Anteil von einem Prozent am weltweiten Kunststoffmarkt. Das waren im Jahr 2020 immerhin 2,11 Millionen Tonnen. Biologisch abbaubar sind davon etwa 58 Prozent. Den größten Anteil daran hat Stärke, die meist zu thermoplastischer Stärke (TPS) aufbereitet wird, allerdings Wasser stark anzieht und spröde ist. Deswegen kommt sie meist in Mischungen mit anderen Kunststoffen zum Einsatz. An zweiter Stelle steht Polylactid (PLA), das zum Beispiel für Einweggeschirr verwendet wird. Es kann nur in industrieller Kompostierung abgebaut werden und ist recht teuer, also begrenzt marktfähig. Neben weiteren Kunststoffen wie PBAT und PBS stellte Marc Kreutzbruck beim Webinar Polyhydroxyalkanoate (PHA) vor, die aus Mikroorganismen gewonnen werden und sehr gut biologisch abbaubar sind. PHA ist allerdings steif und thermisch instabil und daher schwierig zu verarbeiten. Aktuell wird jedoch in verschiedenen Projekten daran gearbeitet, PHA zu verbessern, weshalb der Forscher ihn als bioabbaubaren Kunststoff der Zukunft einschätzt.

Biobasierte Kunststoffe haben den Vorteil, dass sie von der endlichen Ressource Erdöl unabhängig sind. Zudem wird nach ihrem Lebensende bei ihrer Verbrennung oder dem Abbau nur jenes CO2 freigesetzt, welches die Rohstoffbasis der Biokunststoffe, also Pflanzen, während ihrer Wachstumsphase aufgenommen haben. Dennoch seien biobasierte Kunststoffe nicht immer zwingend nachhaltiger als konventionelle Kunststoffe, erläuterte Julia Resch, wissenschaftliche Mitarbeiterin Marc Kreutzbrucks, bei dem Webinar. Das liegt daran, dass der Anbau von Rohstoffen für biobasierte Kunststoffe sowie ihre Herstellung oftmals sehr aufwändig sind und zum Teil mehr Ressourcen erfordern als bei fossil basierten Kunststoffen. Zudem besteht das Risiko, dass sich das Problem der Vermüllung durch Biokunststoffe noch verschärft, weil Abfälle aus diesem Material scheinbar „guten Gewissens“ in die Umwelt entsorgt werden könnten. Dabei bauen sich etwa PLA-Kunststoffe in Meeren ähnlich langsam ab wie konventionelle Kunststoffe.

Dennoch können Biokunststoffe sinnvoll eingesetzt werden, und zwar immer dann, wenn sich ein Eintrag nicht vermeiden lässt, wie etwa auf Ackerflächen. Folien werden nach Gebrauch zwar eingeholt, doch durch den Einfluss der Witterung und andere Faktoren zerfallen auch herkömmliche Folien bereits auf dem Feld, und es ist nicht möglich, mit einem ökonomisch vertretbaren Aufwand alle Rückstände zu beseitigen. Weitere vorteilhafte Einsatzgebiete bioabbaubaren Kunststoffs sind Anwendungen, wo organischer und Kunststoffabfall nicht voneinander getrennt werden können, etwa bei Bioabfall-Sammelbeuteln, oder wo es kaum jemand macht, wie bei Aufklebern für Bananen und Äpfel.

Besonders sinnvoll ist der Einsatz bioabbaubarer Kunststoffe, die auch unter Alltagsbedingungen zerfallen, im Bereich der Straßensäuberung: Jährlich werden in Deutschland etwa 16 Tonnen Borsten für Kehrmaschinen eingesetzt. Der allergrößte Teil davon, etwa 80 Prozent, landet als Abrieb auf der Straße und damit in der Umwelt. Hier wären abbaufähige Produkte aus Stärke und PLA verfügbar, berichtete Julia Resch. Solche Alternativen sind allerdings deutlich teurer als Borsten aus herkömmlichem Material, weshalb es sinnvoll sein könnte, eine Umrüstung politisch zu fördern, erläuterte die Wissenschaftlerin.

Text von Wiebke Peters

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