Leider fast unverzichtbar: Kunststoffverpackungen im Handel

Leider fast unverzichtbar: Kunststoffverpackungen im Handel

Viele Verbraucher*innen wünschen sich, plastikärmer einkaufen zu können. Wie das gelingen kann, haben Forschende untersucht und dabei vor allem viel über Hemmnisse herausgefunden, die zeigen, dass der Weg in eine kunststoffreduzierte Einkaufswelt noch weit ist.

Wer im herkömmlichen Supermarkt vor den Obst- und Gemüseregalen steht, sieht vor allem: Verpackungen aus Kunststoff. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts fallen pro Kopf und Jahr in Deutschland insgesamt etwa 39 Kilogramm Kunststoffverpackungen an. Egal ob Banane oder Birne, italienische Zucchini oder Mini-Tomaten aus regionalem Bio-Anbau, fast alles ist portionsweise in Plastik eingewickelt oder abgepackt.

Das Forschungsprojekt „Verbraucherreaktionen bei Plastik und dessen Vermeidungsmöglichkeiten am Point of Sale“ (VerPlaPoS) hat nun untersucht, wie und in welchem Umfang Verbraucher*innen bereits durch ihre Kaufentscheidung am Ort des Einkaufs Verpackungen aus Kunststoff reduzieren bzw. vermeiden können. Ein Team von Wissenschaftler*innen verschiedener Fachdisziplinen hat sich dieser Fragestellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln genähert: Es führte sozialwissenschaftliche Erhebungen durch, entwickelte neue Verpackungen und analysierte verschiedene Vermeidungs- und Recyclingstrategien aus betriebswirtschaftlicher Perspektive. Bei VerPlaPoS ging es dabei nicht nur um Verpackungen im Supermarkt, auch das Thema Textilien und wie sie auf ihrem Weg von der Produktion zur Konsumentin oder zum Konsumenten verpackt werden, spielte eine wichtige Rolle (dazu ein andermal mehr). In diesem Beitrag konzentriere ich mich beispielhaft auf das Thema Kunststoffverpackungen im Supermarkt.

Besonders spannend finde ich, wie Verbraucher*innen (re)agieren, wenn es im Supermarkt verschiedene Optionen gibt, zwischen denen sie wählen können. Das hat das Team in zwei Feldstudien untersucht: Im ersten Versuchsaufbau wurden Kund*innen beim Kauf von Gemüse und Obst beobachtet und anschließend befragt, warum sie unterschiedliche Plastikbeutelchen (z.B. aus biologisch abbaubarem Kunststoff) benutzen oder eben nicht. Und in der zweiten Studie konnten Verbraucher*innen zwischen verschiedenen Verpackungen (z.B. aus recycelten Kunststoffen) für Snacktomaten auswählen.

Die Gretchenfrage der ersten Studie lautete: mit oder ohne Beutel? Pro Kopf und Jahr etwa 40 solcher so genannter Hemdchenbeutel, die griffbereit verfügbar und zudem kostenlos sind, werden in Deutschland genutzt. Für die Studie bauten die Forschenden in vier Supermärkten „Verpackungsinseln“ auf, wo klassische Hemdchenbeutel ebenso wie drei Verpackungsalternativen zu finden waren: klimaschonender hergestellte, aber nicht recyclingfähige Hemdchenbeutel, kompostierbare Hemdchenbeutel und Papiertüten. Die konventionellen Hemdchenbeutel waren kostenlos, die anderen kosteten einen bzw. vier Cent pro Stück. Die Verbraucher*innen wurden bei ihrem Kauf von Obst und Gemüse beobachtet und anschließend befragt. Die meisten, nämlich über 60 Prozent von ihnen, griffen gar nicht zum Beutel. Sie kauften lose bereitliegendes Obst und Gemüse verpackungsfrei ein bzw. nutzen selbst mitgebrachte Beutel. Gut die Hälfte der Käufer*innen, die eine Einwegverpackung wählten, entschieden sich für einen Gratis-Hemdchenbeutel. Nur ein kleiner Teil (rund 17 Prozent) der Verbraucher*innen war bereit, einen Aufpreis für eine umweltfreundlichere Transportverpackung zu bezahlen.

Nach Ansicht der Forschenden zeigen die hohe Anzahl der verpackungsfreien Einkäufe, dass die Nutzung von Einwegbeuteln noch weiter reduziert werden könnte. Dies wäre die beste Lösung, um den Plastikverbrauch zu reduzieren.

Im zweiten Feldexperiment (ebenfalls in den vier Supermärkten durchgeführt) untersuchten die Wissenschaftler*innen, ob und wie Verbraucher*innen alternative, nachhaltigere Verpackungslösungen am Beispiel Snacktomaten wählen. Zur Auswahl standen bei diesem Experiment Verpackungslösungen aus Pappe, R-PET (Recycling-PET), PLA (Biokunststoff) und konventionellem PET. Im Ergebnis griffen 53 Prozent der Verbraucher*innen zu nachhaltigen Verpackungslösungen trotz eines höheren Preises – im Versuch waren es immerhin 11 Cent pro Packung.

Bei den Snacktomaten war ein großer Teil der Verbraucher*innen also bereit, durch eine aktive Kaufentscheidung einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, um konventionelle Plastikverpackungen zu vermeiden – auch wenn dies einen Aufpreis verlangt. Im Alltag fehlt aber häufig das Wissen für solche Entscheidungen, und es stehen meist keine nachhaltigen Verpackungsalternativen zur Verfügung, denn nach wie vor ist herkömmlicher Kunststoff für Händler und Hersteller aufgrund des niedrigen Preises oft die erste Wahl bei Verpackungslösungen.

Das Fazit der Autor*innen: Für Verbraucher*innen ist es schwierig, sich für nachhaltigere Alternativen zu entscheiden. Zum einen sollten Verpackungen auf ein Minimum reduziert werden, oder Produkte in „umweltfreundlicheren“ Verpackungen gekauft werden. Bislang sind alternative Verpackungen buchstäblich Mangelware, auch weil Industrie und Hersteller nicht ausreichend in die Pflicht genommen werden. Zum anderen ist verpackungslos auch nicht immer das Beste für die Umwelt: Beispielsweise kann die Umwelt auf andere Weise belastet werden, etwa indem Lebensmittel schneller verderben.

Diese Ergebnisse passen auch zu den Resultaten einer anderen Untersuchung des Projektes VerPlaPoS zum „Entsorgungs- und Vermeidungsverhalten von Verbraucher*innen“. Dabei sammelten die Wissenschaftler*innen in einer deutschlandweiten Online-Umfrage Veränderungsvorschläge und -wünsche, welche konkreten Maßnahmen die Reduktion von Kunststoffverpackungen in ihren alltäglichen Abläufen erleichtern könnten.

Von der Politik fordern die Teilnehmenden Gesetze, um Industrie, Hersteller und Handel stärker zu Maßnahmen zu verpflichten, mit der sich eine Verpackungsreduktion erreichen lässt. Solche Gesetze könnten beispielsweise die Verpackungsgestaltung betreffen oder Rahmenbedingungen schaffen, damit im Handel stärker auf Nachfüll- und Pfandsysteme umgestellt wird. Verboten werden sollten vor allem Einwegverpackungen, -flaschen und -tüten sowie Mehrfach- und Umverpackungen. Als hilfreich werden auch ökonomische Instrumente wie Steuern auf Kunststoff(verpackungen) eingeschätzt. Generell besteht der Wunsch nach einem größeren Produktangebot in Mehrwegverpackungen, zum Beispiel auch für Hygieneprodukte, Wasch- und Reinigungsmittel. Außerdem wünschen sich die Studienteilnehmenden insgesamt ein größeres Sortiment an unverpackten Produkten, etwa abfüllbare Shampoos oder Reinigungsmittel, die auch in Drogeriemärkten oder Discountern angeboten werden sollten. Allerdings ist dies verbunden mit der Erwartung, dass lose Alternativen nicht teurer sein sollten als verpackte Produkte. Der Preis spielt bei Überlegungen der Konsument*innen, verpackungsreduzierter einzukaufen, eben doch eine wichtige Rolle.

Die hier vorgestellten Ergebnisse und viele weitere interessante Resultate finden sich im Abschlussbericht von VerPlaPoS wieder. Dieser ist online abrufbar.

Text von Wiebke Peters

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