Forschung an Politik: Empfehlungen wider die Plastikflut

Forschung an Politik: Empfehlungen wider die Plastikflut

Plastik in der Umwelt ist ein Thema, über das seit Jahren viel geschrieben und diskutiert wird. Nicht weil Plastik besonders sexy wäre. Ganz im Gegenteil: Plastikteile vermüllen Flussufer und Meere, entern Nahrungsketten und Ökosysteme, so dass Fachleute mittlerweile von einem globalen Plastikzyklus sprechen. Uns Menschen scheint derweil ein nachhaltiger Umgang mit Kunststoffen – von der Produktion bis zur Entsorgung – längst zu überfordern. Dabei ist noch immer nicht klar, was passiert, wenn Plastik über die Flüsse bis in die Meere gelangt, dort zerrieben und immer kleiner wird, über verschiedene Organismen den Weg auch in unsere Körper findet oder sich in Böden und Sedimenten ablagert.

Licht in dieses Dunkel bringen wollen 20 vom BMBF finanzierte Forschungsprojekte im Forschungsschwerpunkt „Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungsansätze“. Seit 2017 arbeiten sie an unterschiedlichsten Fragen, etwa wie man am besten Mikroplastik im Abwasser erfasst und entfernt, wie es sich auf kleine Lebewesen im Wasser auswirkt, wie Kunststoffrecycling besser funktionieren kann, wo auf unseren Straßen besonders viel Reifenabrieb zusammenkommt oder inwieweit Plastikvermeidung von Konsumentinnen dazu beitragen kann, dass weniger Plastik in die Umwelt gelangt.

Dabei sind viele spannende, wichtige, auch überraschende Ergebnisse zusammengekommen, über die wir in diesem Blog berichten möchten. Wir, das sind Doris Knoblauch und Dr. Ulf Stein vom Ecologic Institut, die den Forschungsschwerpunkt Begleitvorhaben PlastikNet unterstützen, und ich als dem Vorhaben assoziierte freie Journalistin. Dabei zäumen wir das Pferd gewissermaßen von hinten auf: Bevor wir uns den einzelnen Projekten widmen und verraten, wie etwa ein Recycling-Schiff das Plastikmüllproblem vor den Küsten des globalen Südens entschärfen könnte oder warum so viele Mikroplastikpartikel beim Waschen von Funktionskleidung ins Abwasser gelangen und was sich dagegen tun lässt, wagen wir gleich den Blick aufs große Ganze.

Einige der Nachwuchswissenschaftlerinnen haben sich nämlich zusammengesetzt, um zu überlegen, was die gesammelten Erkenntnisse praktisch bedeuten. Dabei stellten sie einhellig fest, „dass auf Basis der bisherigen Erkenntnisse schon politisch gehandelt werden kann und muss. Wir sehen vor dem Hintergrund unserer breiten interdisziplinären Expertise eine Reihe von Feldern, in denen politische Handlungen und Regelungen schon heute umgesetzt werden können.“

So heißt es zu Beginn der Politikempfehlungen, die anlässlich der Abschlusskonferenz von „Plastik in der Umwelt“ Ende April vorgestellt wurden. Vielleicht ein bisschen umständlich formuliert, aber die Aussage ist klar: Die Politik muss jetzt handeln. Und wir haben ein paar richtig gute Ideen dafür.

Erster Punkt: die Kunststoffherstellung. Die Forschenden empfehlen, Additive, also potenziell gesundheitsschädliche Zusatzstoffe wie Weichmacher, zu reduzieren und eine Kennzeichnungspflicht für alle Inhaltsstoffe einzuführen. Mikroplastik in Kosmetika und Hygieneprodukten gehören verboten. Für den Bereich Handel konzentrieren sich die Empfehlungen darauf, Einwegkunststoffprodukte zu vermeiden, wie sie oft für Verpackungen genutzt werden. Dabei sollten weniger Verbundwerkstoffe zum Einsatz kommen, deren Recycling sehr aufwändig oder gar nicht möglich ist, und verzichtbare Einwegkunststoffe wie Plastikgeschirr sollten verboten werden. Zudem fordern die Forschenden, dass eine klare Kennzeichnung der Recyclingfähigkeit eingeführt wird, um Verbraucherinnen die Entscheidung für nachhaltige Produkte im Geschäft zu vereinfachen. Und man hat sich vom Nutri-Score inspirieren lassen: So sollte die Ökobilanz einer Verpackung auf ebendieser ausgewiesen sein.

Besonders viel Spielraum, Plastikmüll effektiv zu vermeiden, sehen die Forschenden in der Bauindustrie, dem zweitgrößten Kunststoffanwendungsbereich in Deutschland. Dort lassen sich die Eintragsmengen von Plastik mit geringem Aufwand reduzieren: Zum Beispiel, indem Vorschriften zur Lagerung und Sicherung von Kunststoffen auf der Baustelle oder für den verlustarmen Umgang mit Styropor erlassen werden.

Für den Bereich Abfall halten die Forschenden fest: Kunststoffe vermeiden geht vor Recycling. Trotzdem muss parallel zukünftig mehr recycelt werden, und zwar im eigenen Land – exportierter Plastikmüll bleibt meistens Plastikmüll. Dieser Müll gelangt häufig erst recht in die Umwelt und damit auch in die Meere, weil in den Ländern, in die er exportiert wird, oftmals keine geeigneten Infrastrukturen für Recycling oder Verwertung vorhanden sind.

Diese Empfehlungen müssen noch den Weg in die Politik finden. „Der Transfer guter Vorschläge geschieht nicht von alleine“, mahnte R. Andreas Kraemer bei der Abschlusstagung von „Plastik in der Umwelt“. Die Empfehlungen an politische Entscheidungsträgerinnen weiterzugeben, biete sich aktuell besonders an: Schließlich befinden wir uns in einem Wahljahr. Und bei Koalitionsverhandlungen können konkrete, gut begründete Empfehlungen aus der Wissenschaft ein Korn sein, aus dem Gutes erwächst.

Text von Wiebke Peters

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